Samstag, 10. Oktober 2015

SAMSAS TRAUM - POESIE: FRIEDRICHS GESCHICHTE

Releasedatum: 02.10.2015
Formate: CD, 2CD Buch-Edition
Trisol, Gothic Rock/Trip Hop, 12 Songs

Das letzte Samsas Traum Album „Asen'ka – Ein Märchen für Kinder und solche, die es werden wollen“ liegt mittlerweile 3 Jahre zurück und im künstlerischen Kosmos des Alexander Kaschte hat sich Einiges geändert, denn der Weg entfernt sich von den fantastischen Welten und führt mitten in die Realität. Begonnen hat diese Transformation mit „Das Buch der toten Kinder“, nahm nochmal mit dem Start der „Weißer als das Wasser“ Trilogie Anlauf und mündet nun im atemberaubenden Album „Poesie: Friedrichs Geschichte“.

„Wie es der Titel bereits verrät: Erzählt wird die Geschichte Friedrichs, die Geschichte eines in der Zeit des Nationalsozialismus aufwachsenden Jungen, dessen große Leidenschaft das Schreiben von Gedichten ist. Von seinem Umfeld als verhaltensgestört, von den Ärzten als schizophren eingestuft, ereilt ihn das Schicksal unzähliger anderer behinderter und psychisch kranker Menschen – sein Leben wird im Namen der Euthanasie in der NS-Tötungsanstalt Hadamar auf schrecklichste Weise beendet.“ - soweit der Pressetext, welcher nicht zu viel verspricht.
Musikalisch mischt das Album altbekannte Stärken, wie die Synthie-Orchester-Parts und die eingängigen Gitarren- und Synthesizermelodien mit Trip Hop Einflüssen und vermehrtem Sprechgesang. Die Musik selbst ist wunderbar eingängig, mal bedrohlich, mal magisch. Eben immer noch unvergleichlich Samsas Traum.

Die Lyrics allerdings schnüren einem immer wieder die Kehle zu. Sei es „Der Mönchberg (Heinrichs Gedicht)“ welches zum Großteil wirklich aus der Feder eines Insassen von Hadamar namens Heinrich stammt, das die Angst und Beklemmung mit jedem Wort spürbar machende „Wir fahren in den Himmel (Und ich kotze Angst)“, die Beleidigungen und Erniedrigungen die Richard in „Richard, warum zitterst du“ selbst bis kurz vor seinen Tod ertragen muss, die hasserfüllte Abrechnung mit Vergasungsarzt (allein das Wort zu schreiben verpasst mir eine Gänsehaut) Bodo Gorgass, die Perversitäten, der Feier um die „Leiche 10 000“ oder die Heucheleien und Verleugnungen in „Es tut uns leid“.
Wer nicht spätestens beim Dreierpack um „Wir fahren in den Himmel (Und ich kotze Angst)“, „Fingerkränze“ und „Richard, warum zitterst du“ mindestens einen Kloß im Hals hat, dem fehlt es wohl an jeglicher Empathie. Den Abschluss bildet nach einer knappen Stunde das nicht weniger überragende und höchst emotionale „Was weisst du schon von mir (Mein Name ist Friedrich)“.

Ich möchte an dieser Stelle eine gute Freundin zitieren, die zum Album sagte: „Man schämt sich und traut es sich nicht zu sagen, aber die Lieder sind so fucking eingängig - man will mitsingen und dann ist da der Text, den man nicht mitsingen WILL.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Kauft euch dieses Album, denkt über die Botschaft nach, informiert euch, empfehlt euren Freunden und Verwandten die CD, denn je mehr Leute diese Musik hören, desto mehr stellen sich gegen PEGIDA, AfD, NPD und co. Denn so direkt behandelt kein musikalisches Werk die Schrecken und Perversionen des NS-Regimes, eine Ohrfeige für alle, die behaupten es wäre besser diese Zeiten wieder aufleben zu lassen.
Für den Fall, dass man die Texte einfach mal nicht hören will und dazu wird es kommen, wurde der limitierten Buch-Edition eine Bonus-CD mit sämtlichen Songs in der Instrumental-Version beigelegt. Hier wurden die Lieder außerdem etwas anders abgemischt, was dazu führt, dass man in den Instrumentalen Stücken auch nochmal neue Aspekte findet, die in den an den Gesang angepassten Versionen etwas in den Hintergrund geraten.
Ich bin gespannt, wie man dieses Album auf Tour umsetzen wird, freue mich auf das Konzert, bin aber gleichzeitig so nervös und ehrfurchtsvoll wie nie zuvor. Eine andere Bewertung als 6 von 6 Punkten kommt für das Album des Jahres nicht in Frage.

Anspieltipps: Entfallen hier, hört das Album komplett durch. Diese Lieder sollte man nicht voneinander trennen.


„Jesus starb in Deutschland“

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