Mittwoch, 8. April 2015

NACHTMAHR – FEINDBILD

Releasedatum: 14.02.2014
Format: CD
Trisol, EBM/Industrial, 11 Songs

Nachdem ich vor einer ganzen Weile schon diverse Agonoize Veröffentlichungen rezensiert habe, wird es auch langsam Zeit, dass ich mich an die zweite Übermacht im deutschsprachigen Industrial heran wage. Meines Erachtens nach ist das nunmal das selbsternannte Feindbild von allem und jedem, nämlich Nachtmahr.

Einer der Hauptkaufgründe war für mich auf jeden Fall die Aufmachung der auf 2000 Exemplare limitierten Erstauflage, welche optisch an ein Hardcover Comicbuch angelehnt ist. Gefüllt ist dieses Buch mit allen Lyrics des Albums, sowie diversen imposanten Illustrationen von Bruce Stirling John Knox, auch bekannt unter dem Pseudonym „Desecrationism“. Wie man es von Trisol Veröffentlichungen kennt bekommt man hier also für kleines Geld hochwertig verarbeitete Produkte, die jede Sammlung optisch bereichert und aufwertet.

Das Album wird von einem typischen Nachtmahr Opener eröffnet. Voller Selbstbeweihräucherung triefen wabernde Basssounds und einfache Drums durch „Wir sind zurück“. Einzig im Refrain wird dieses Muster aufgebrochen und der sowohl simple als auch eingängige Text wird von ebenso einfachen Elektrosounds unterstützt. Der „Dämon“ legt direkt darauf einen sehr guten Rhythm-Noise Start hin, hält dieses Niveau allerdings nicht. Vereinzelt kann man im Hintergrund die Melodiesynths wahrnehmen, aber wirklich nach vorn kommen sie nie.
Schon früh in der Tracklist taucht der wohl beste Song des Albums auf. „I hate Berlin“ besticht nicht nur durch seine unglaublich gelungenen Lyrics, auch Gastsängerin Fräulein Plastique (ex-Welle:Erdball) verpasst dem Lied noch ein Stück ihres eigenen Charmes. Schade nur, dass es sich hierbei um eine Coverversion handelt, das Original wurde 1994 von Second Decay veröffentlicht.
Mit „Die Fahnen unserer Väter“ zieht allerdings auch schon ein wirklich erstklassiger Nachtmahrsong hinterher und auch als nicht-Österreicher kann man sich dem Stück öffnen und sich davon berühren lassen.
Nachdem man versuchte in tiefgründige Gefilde zu wechseln bekommt man mit „Chaos“ einen weiteren stumpfen Tanzflächenfüller um die Ohren geschmissen, wenigstens erspart man dem Hörer weitere Lyrics die zum fremdschämen einladen... wenn man das wenigstens beibehalten hätte. „Parasit“ ist zwar ausnahmsweise mal keine Lobhymne von Thomas Rainer an sich selbst, steht allerdings nur knapp vor den Disstracks diverser HipHopper und Rapper. Weil das für Nachtmahr auch nicht genug ist stellt man sich im Titeltrack „Feindbild“ in die Rolle des allgemeinen Antagonisten für jedermann. Ob man dem Herren mal sagen sollte, dass man so auch leicht in lächerliche Selbstüberschätzungen abrutschen kann? Eine weitere lyrische Perle, die genauso gut von einer Deutschrock Band oder Varg stammen könnte ist auch „Stehend sterben“ beendet zum Glück auch schon den Reigen der Füllsongs.
„Liebst du mich?“ wurde vor dem eigentlichen Albumrelease als Gratisdownload angeboten und ich meine man hätte kein anderes Stück dafür auswählen können. Dieser Song vereint alles Gute der CD in sich, denn auch wenn ich nicht übermäßig viel Positives zu den einzelnen Liedern sagen konnte bieten doch einige beim genaueren hinhören einige Details die für einige Teile entschädigen können. Auch das einzige englischsprachige Lied „The Torch“ weiß mich in seinen Bann zu ziehen und die heroisch-epischen Soundscapes locken sogar die eine oder andere Gänsehaut hervor. Abgeschlossen wird „Feindbild“ nach knappen 45 Minuten Spielzeit vom reinen Klavierinstrumental „Wache“.

Bleibt als Fazit also „außen hui, innen pfui“? Wenn man bedenkt, dass der einzige richtige Knallersong ein Cover ist könnte man das so stehen lassen, allerdings verstecken sich auch ein paar Perlen, für die man „Feindbild“ ruhig noch diverse Male anhören kann. So ist das Album doch kein Totalausfall und bekommt auch dank des Artworks statt 2 ganze 3 von 6 Punkten.

Anspielltipps: „I hate Berlin“, „Die Fahnen unserer Väter“, „Liebst du mich?“, „The Torch“

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