Releasedatum: 28.02.2014
Format: CD, 2 LP
Cold Dimensions, Black Doom Punk Rock,
9 Songs
Sekundenbruchteile bevor ich mich dazu
entschlossen habe, mir schon heute Arkona vorzunehmen, klingelt die
Post und bringt mir die lange und heiß ersehnte „Snuff ||
Hiroshima“ Doppel LP - so bekommen Fäulnis doch noch die
zweifelhafte Ehre als meine Samstagsrezension zu enden.
Was neben der hochwertigen Verarbeitung
direkt mit auffällt, ist etwas, das man leider recht selten bei LPs
findet – ein Booklet ist beigelegt, welches neben den Lyrics
passende Artworks bietet. Die D-Seite des Albums hätte eigentlich
noch Platz für Bonusmaterial (zum Beispiel das geniale Cover vom Oma
Hans Lied „Ukraine“) geboten, wurde allerdings komplett leer
gelassen, was es so auch nicht gerade häufig gibt.
Das Album beginnt gedämpft, als würde
man vor der Tür des Proberaums einer Punkband stehen, doch das wird
schnell vom eigentlichen Beginn des Stückes „Grauen“ vertrieben.
Der Opener prescht im Hightempo-Bereich auf uns zu und Sänger Seuche
schreit sich mit seinen bildgewaltigen Texten durch die Platte.
Direkt im Anschluss erleben wir das vorab als Video veröffentlichte
„Weil wegen Verachtung“. Anfänglich wird alle Verzweiflung
herausgeschrien, was im zweiten Teil sehr schnell in Aggressivität
umschlägt. Für mich persönlich kann ich sagen, dass dieses Lied
sehr gut bestimmte Eindrücke schildert und überbringen kann. Fast
schon zu gut und es wird nicht das letzte Mal bleiben, dass ich mir
denke „verdammt Seuche, was machst du in meinem Kopf?“, denn
schon im nächsten Song über die verdammten Distanzmenschen geht der
Vorstoß in die Abgründe weiter. Ohne Vorwarnung bekommt man die
ganze Verachtung ins Gesicht gespuckt, wie der Protagonist von der
alten Hure am Ende der Straße.
„Abgrundtief“ klingt wie ein
Albtraum, welcher jedoch für manche stark an die Realität angelehnt
ist. Auch wird hier ein Blick aus Sicht des Protagonisten auf die
Außenwelt geboten, allerdings darf man Seuche hier nicht nur für
den Tiefgang loben, sondern auch für seine lyrischen Meisterwerke
(die monotone Gehirnvergewaltigungsmaschine). Die Melodie vom
nachfolgenden „Paranoia“ ist, wie viele andere auf diesem Album
auch, extrem eingängig und auch wenn man das Album zum gefühlt
10000sten Mal hört, nutzt es sich sicher nicht ab. Rein textlich
betrachtet findet sich hier außerdem, meines Erachtens nach, die
Vorgeschichte zu „Grauen“, die vielen Querverweise lassen darauf
schließen.
Fäulnis wird von vielen Leuten leider
als DSBM-Band eingeordnet, tatsächlich findet sich aber nur ein
Lied, das sich mit dem Suizid auseinandersetzt. In „Durch die Nacht
mit...“ wird das Thema sehr kritisch beleuchtet und stellt die
Fassungslosigkeit der Hinterbliebenen dar. Einer der Kernaussagen ist
hier „Geschichte schreibt man selbst und haut nicht ab!“. Damit
verlassen wir auch den auf das Ich gerichteten Teil des Albums und
landen „In Ohnmacht“ in einem postapokalyptischen
Endzeitszenario, welches uns wohl näher bevor steht, als es den
meisten lieb ist. Der letzte Instrumentalpart erinnert noch etwas an
das „Gehirn zwischen Wahn und Sinn“-Album, man hätte sich
allerdings auch mit den häufigen Wiederholungen und Überlappungen
etwas kürzer fassen können.
Auch wenn es schwer fällt, sich
einzelne Lieblinge aus „Snuff || Hiroshima“ herauszusuchen, steht
für mich ein Lied über allen anderen. Die Melodie aus „Atomkinder
und Vogelmenschen“ bleibt am längsten im Kopf hängen, die
Geschichte eines Individuums nach einem Atomunfall oder
Atombombenabwurf bleibt, sowohl aus der Egoperspektive, als auch aus
Sicht eines neutralen Beobachters unfassbar fesselnd. Das als
„Reisebericht April – Oktober 2010“ untertitelte „Hiroshima“
ist dann auch ein würdiger, dem Wahn verfallener Ausklang für
dieses unglaubliche Album.
Ich kann mich hier nur wiederholen,
jedes Lied für sich ist so bildgewaltig und eingängig wie ich es
selten erlebt habe. Es ist durchgängig harter Stoff, der auch als
Buch oder Film eine umwerfende Wirkung hätte. Die einzig logische
Schlussfolgerung ist hier 6 von 6 Punkten zu geben und die sind mehr
als verdient.
Anspieltipps: Einfach das ganze Album
durchhören und das Video zu „Weil wegen Verachtung“ anschauen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen