Samstag, 14. Februar 2015

FÄULNIS – SNUFF || HIROSHIMA

Releasedatum: 28.02.2014
Format: CD, 2 LP
Cold Dimensions, Black Doom Punk Rock, 9 Songs

Sekundenbruchteile bevor ich mich dazu entschlossen habe, mir schon heute Arkona vorzunehmen, klingelt die Post und bringt mir die lange und heiß ersehnte „Snuff || Hiroshima“ Doppel LP - so bekommen Fäulnis doch noch die zweifelhafte Ehre als meine Samstagsrezension zu enden.
Was neben der hochwertigen Verarbeitung direkt mit auffällt, ist etwas, das man leider recht selten bei LPs findet – ein Booklet ist beigelegt, welches neben den Lyrics passende Artworks bietet. Die D-Seite des Albums hätte eigentlich noch Platz für Bonusmaterial (zum Beispiel das geniale Cover vom Oma Hans Lied „Ukraine“) geboten, wurde allerdings komplett leer gelassen, was es so auch nicht gerade häufig gibt.

Das Album beginnt gedämpft, als würde man vor der Tür des Proberaums einer Punkband stehen, doch das wird schnell vom eigentlichen Beginn des Stückes „Grauen“ vertrieben. Der Opener prescht im Hightempo-Bereich auf uns zu und Sänger Seuche schreit sich mit seinen bildgewaltigen Texten durch die Platte. Direkt im Anschluss erleben wir das vorab als Video veröffentlichte „Weil wegen Verachtung“. Anfänglich wird alle Verzweiflung herausgeschrien, was im zweiten Teil sehr schnell in Aggressivität umschlägt. Für mich persönlich kann ich sagen, dass dieses Lied sehr gut bestimmte Eindrücke schildert und überbringen kann. Fast schon zu gut und es wird nicht das letzte Mal bleiben, dass ich mir denke „verdammt Seuche, was machst du in meinem Kopf?“, denn schon im nächsten Song über die verdammten Distanzmenschen geht der Vorstoß in die Abgründe weiter. Ohne Vorwarnung bekommt man die ganze Verachtung ins Gesicht gespuckt, wie der Protagonist von der alten Hure am Ende der Straße.
„Abgrundtief“ klingt wie ein Albtraum, welcher jedoch für manche stark an die Realität angelehnt ist. Auch wird hier ein Blick aus Sicht des Protagonisten auf die Außenwelt geboten, allerdings darf man Seuche hier nicht nur für den Tiefgang loben, sondern auch für seine lyrischen Meisterwerke (die monotone Gehirnvergewaltigungsmaschine). Die Melodie vom nachfolgenden „Paranoia“ ist, wie viele andere auf diesem Album auch, extrem eingängig und auch wenn man das Album zum gefühlt 10000sten Mal hört, nutzt es sich sicher nicht ab. Rein textlich betrachtet findet sich hier außerdem, meines Erachtens nach, die Vorgeschichte zu „Grauen“, die vielen Querverweise lassen darauf schließen.
Fäulnis wird von vielen Leuten leider als DSBM-Band eingeordnet, tatsächlich findet sich aber nur ein Lied, das sich mit dem Suizid auseinandersetzt. In „Durch die Nacht mit...“ wird das Thema sehr kritisch beleuchtet und stellt die Fassungslosigkeit der Hinterbliebenen dar. Einer der Kernaussagen ist hier „Geschichte schreibt man selbst und haut nicht ab!“. Damit verlassen wir auch den auf das Ich gerichteten Teil des Albums und landen „In Ohnmacht“ in einem postapokalyptischen Endzeitszenario, welches uns wohl näher bevor steht, als es den meisten lieb ist. Der letzte Instrumentalpart erinnert noch etwas an das „Gehirn zwischen Wahn und Sinn“-Album, man hätte sich allerdings auch mit den häufigen Wiederholungen und Überlappungen etwas kürzer fassen können.
Auch wenn es schwer fällt, sich einzelne Lieblinge aus „Snuff || Hiroshima“ herauszusuchen, steht für mich ein Lied über allen anderen. Die Melodie aus „Atomkinder und Vogelmenschen“ bleibt am längsten im Kopf hängen, die Geschichte eines Individuums nach einem Atomunfall oder Atombombenabwurf bleibt, sowohl aus der Egoperspektive, als auch aus Sicht eines neutralen Beobachters unfassbar fesselnd. Das als „Reisebericht April – Oktober 2010“ untertitelte „Hiroshima“ ist dann auch ein würdiger, dem Wahn verfallener Ausklang für dieses unglaubliche Album.

Ich kann mich hier nur wiederholen, jedes Lied für sich ist so bildgewaltig und eingängig wie ich es selten erlebt habe. Es ist durchgängig harter Stoff, der auch als Buch oder Film eine umwerfende Wirkung hätte. Die einzig logische Schlussfolgerung ist hier 6 von 6 Punkten zu geben und die sind mehr als verdient.

Anspieltipps: Einfach das ganze Album durchhören und das Video zu „Weil wegen Verachtung“ anschauen.



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