Releasedatum: 14.08.2015
Formate: CD, 2CD, 2CD+DVD, 2LP
Napalm Records, Mittelalterrock, 14
Songs (+3 Bonustracks)
Der Zirkus ist in der Stadt und die
Narren der Formatio Saltatio Mortis rufen zum verweilen auf. Nach
dem, sich mehr schlecht als recht bei mir durchschlagendem, letzten
Album „Das schwarze IxI“ (bekam von mir 4 von 6 Punkten und ist
unglaublich schlecht gealtert) wollte ich den Jungs doch nochmal eine
Chance geben, doch schon die Enthüllung des Albumcovers lies mich
überlegen ob ich mir das Album wirklich kaufen sollte. Letztendlich
habe ich es doch vorbestellt, die ersten Hörproben wurden auf die
Massen losgelassen und ich habe meine Bestellung fassungslos
storniert. Deshalb bin ich dankbar (oder eher nicht), dass ich für
diese Rezension ein Leihexemplar der Doppel CD zur Verfügung
gestellt bekommen habe.
Massentauglich vorgeführte
Gesellschaftskritik dominieren die Hälfte des Albums und gerade die
ersten beiden Songs „Wo sind die Clowns?“ und „Willkommen in
der Weihnachtszeit“ sind frühe Höhepunkte dieser Unzumutbarkeit.
Wo ist die Poesie des Lasterbalk hin? Deine Lyric die mich zum Fan
von euch gemacht hat? Wann ist aus dir ein Phrasendrescher geworden,
der jede Zeile in einen Text aufnimmt, solang sie nur leicht
verständlich ist und von jedem mitgegröhlt werden kann?
Mit „Nachts weinen die Soldaten“
kaut man den Track des letzten Albums „Krieg kennt keine Sieger“
auch nur wieder. Es reicht doch ein pseudo-tiefsinniges
Anti-Kriegslied, so kaltherzig es auch klingen mag: sowas hilft den
Toten nun auch nichtmehr. Manchmal muss man auch pragmatisch sein.
„Hört diese immer wieder gleiche Gesellschaftskritik nicht bald
mal auf?“ denkt man sich schon bei „Des Bänkers neue Kleider“.
Den Kapitalismus als Feindbild ausrufen, aber die Fans nach Strich
und Faden ausnehmen, ich warte ja nur noch auf Saltatio Mortis
Bettwäsche, natürlich auch für Kinderbetten.
Kurzzeitiges aufatmen ist angesagt,
denn mit „Maria“ wird ein altertümlicher Text neu vertont, was
zum großen Teil auch gelingt, wenn da nicht der Herr Lasterbalk
wieder seine Finger im Spiel gehabt hätte und die Lyrics einmal
komplett schändet. Ich hätte mir eine Interpretation des Originals
sehr gewünscht und zwar ohne das jemand noch daran rumpfuscht. „Wir
sind Papst“ ist dann zwar wieder beinahe selbstgeschrieben, aber
deshalb leider auch plakativ und belanglos bis zum Schluss.
Weil das ja alles noch nicht reicht
gibt es noch den Track „Augen zu“, in dem man einmal zum
Rundumschlag ausholt. Uns allen ist der Nächste doch scheißegal und
nur die erhabenen Saltatio Mortis kümmern sich anscheinend um ihre
Mitmenschen. Ich stand PEGIDA und deren Ablegern schon gegenüber mit
Hunderten anderen Leuten und war aktiv. Was habt ihr getan? Tour,
MPS, hier ein Bier, da einen Met, alles schön?
Mit „Geradeaus“ findet die
Peinlichkeit ihren absoluten Höhepunkt. Zeigt schon das dauerhafte
zitieren aus alten Songs die Ideenlosigkeit, begibt man sich mit dem
unglaublich platten „Hater sind uns scheißegal“ Text direkt auf
Frei.Wild Niveau und es tut mir als Fan weh diesen Vergleich ziehen
zu können. Muss ich mich als Rezensionsschreiber dafür
entschuldigen, dass ihr solchen Mist abliefert der meinen Geschmack
um Längen verfehlt? Wie ihr im Lied bereits so schön (vielleicht
auch ironisch) sagt „Wir haben den Spielmannsschwur gebrochen“...ja
das habt ihr.
Auch wenn die Geschichte hinter
„Erinnerung“ wirklich tragisch ist ändert das nichts an der
Tatsache das auch dieser Text unfassbar kitschig ist und mit dem
Wunsch nach der alten Zeit alles wettern gegen die „früher war
alles besser“-Sager ad absurdum gelegt wird. Saltatio Mortis können
aber nicht nur jammern und meckern. Nein, auch das Niveau der neueren
die toten Hosen Songs wird in „Trinklied“ aufgegriffen. Was zur
Hölle ist nur los mit euch?
Völlig unerwartet taucht dann doch
noch ein wirklich gutes Lied auf. „Rattenfänger“ nämlich,
welches es schafft mich mit seiner Ska-ähnlichen Melodie zu packen.
Endlich mal ein Lichtblick in dieser belanglosen Masse. Leider
versinken auch die letzten 3 Songs „Todesengel“, „Vermessung
des Glücks“ und „Abschiedsmelodie“ wieder in der Irrelevanz
und wenn man nicht gerade eine der limitierten Editionen besitzt hat
man es hier auch schon geschafft.
Alle anderen bekommen noch 3 weitere
Tracks serviert aus denen nur einer positiv heraussticht. Zwischen
dem Skiptrack „Gossenpoet“ und der peinlichen Neuvertonung von
„Gaudete“ findet sich mein zweites persönliches Highlight des
Albums, „Mauern aus Angst“.
Auf instrumentaler Ebene gibt es auf
„Zirkus Zeitgeist“ kaum etwas zu meckern. Die Jungs wissen wie
sie mit ihren Instrumenten umzugehen haben, sie können wundervolle
Töne daraus hervorlocken. Das alles nützt aber nichts wenn mir die
Lyrics solche Schmerzen bereiten.
Ich bin froh, dass es auf der Bonus CD
15 Coverversionen älterer Saltatio Mortis Songs von befreundeten
Bands (Ost+Front, Subway to Sally, Fiddler's Green, BerlinskiBeat
uvm.) interpretiert gibt und mir diese CD wenigstens etwas Freude
bereitet. Die Bonus CD ändert allerdings nichts an der 2 von 6
Punkten Bewertung für das Album. Alle meine schlimmsten
Befürchtungen im Vorfeld haben sich hier bestätigt, aber solang der
Großteil der Fans den „Backstreet Boys der Mittelalterszene“ (an
dieser Stelle ein Dank an den mir unbekannten Urheber dieses Zitats)
unterwürfig folgt wird es wohl so bald keine Besserung geben.
Anspieltipps: Rattenfänger, Mauern aus
Angst
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