Samstag, 22. August 2015

SALTATIO MORTIS - ZIRKUS ZEITGEIST

Releasedatum: 14.08.2015
Formate: CD, 2CD, 2CD+DVD, 2LP
Napalm Records, Mittelalterrock, 14 Songs (+3 Bonustracks)

Der Zirkus ist in der Stadt und die Narren der Formatio Saltatio Mortis rufen zum verweilen auf. Nach dem, sich mehr schlecht als recht bei mir durchschlagendem, letzten Album „Das schwarze IxI“ (bekam von mir 4 von 6 Punkten und ist unglaublich schlecht gealtert) wollte ich den Jungs doch nochmal eine Chance geben, doch schon die Enthüllung des Albumcovers lies mich überlegen ob ich mir das Album wirklich kaufen sollte. Letztendlich habe ich es doch vorbestellt, die ersten Hörproben wurden auf die Massen losgelassen und ich habe meine Bestellung fassungslos storniert. Deshalb bin ich dankbar (oder eher nicht), dass ich für diese Rezension ein Leihexemplar der Doppel CD zur Verfügung gestellt bekommen habe.

Massentauglich vorgeführte Gesellschaftskritik dominieren die Hälfte des Albums und gerade die ersten beiden Songs „Wo sind die Clowns?“ und „Willkommen in der Weihnachtszeit“ sind frühe Höhepunkte dieser Unzumutbarkeit. Wo ist die Poesie des Lasterbalk hin? Deine Lyric die mich zum Fan von euch gemacht hat? Wann ist aus dir ein Phrasendrescher geworden, der jede Zeile in einen Text aufnimmt, solang sie nur leicht verständlich ist und von jedem mitgegröhlt werden kann?
Mit „Nachts weinen die Soldaten“ kaut man den Track des letzten Albums „Krieg kennt keine Sieger“ auch nur wieder. Es reicht doch ein pseudo-tiefsinniges Anti-Kriegslied, so kaltherzig es auch klingen mag: sowas hilft den Toten nun auch nichtmehr. Manchmal muss man auch pragmatisch sein. „Hört diese immer wieder gleiche Gesellschaftskritik nicht bald mal auf?“ denkt man sich schon bei „Des Bänkers neue Kleider“. Den Kapitalismus als Feindbild ausrufen, aber die Fans nach Strich und Faden ausnehmen, ich warte ja nur noch auf Saltatio Mortis Bettwäsche, natürlich auch für Kinderbetten.
Kurzzeitiges aufatmen ist angesagt, denn mit „Maria“ wird ein altertümlicher Text neu vertont, was zum großen Teil auch gelingt, wenn da nicht der Herr Lasterbalk wieder seine Finger im Spiel gehabt hätte und die Lyrics einmal komplett schändet. Ich hätte mir eine Interpretation des Originals sehr gewünscht und zwar ohne das jemand noch daran rumpfuscht. „Wir sind Papst“ ist dann zwar wieder beinahe selbstgeschrieben, aber deshalb leider auch plakativ und belanglos bis zum Schluss.
Weil das ja alles noch nicht reicht gibt es noch den Track „Augen zu“, in dem man einmal zum Rundumschlag ausholt. Uns allen ist der Nächste doch scheißegal und nur die erhabenen Saltatio Mortis kümmern sich anscheinend um ihre Mitmenschen. Ich stand PEGIDA und deren Ablegern schon gegenüber mit Hunderten anderen Leuten und war aktiv. Was habt ihr getan? Tour, MPS, hier ein Bier, da einen Met, alles schön?
Mit „Geradeaus“ findet die Peinlichkeit ihren absoluten Höhepunkt. Zeigt schon das dauerhafte zitieren aus alten Songs die Ideenlosigkeit, begibt man sich mit dem unglaublich platten „Hater sind uns scheißegal“ Text direkt auf Frei.Wild Niveau und es tut mir als Fan weh diesen Vergleich ziehen zu können. Muss ich mich als Rezensionsschreiber dafür entschuldigen, dass ihr solchen Mist abliefert der meinen Geschmack um Längen verfehlt? Wie ihr im Lied bereits so schön (vielleicht auch ironisch) sagt „Wir haben den Spielmannsschwur gebrochen“...ja das habt ihr.
Auch wenn die Geschichte hinter „Erinnerung“ wirklich tragisch ist ändert das nichts an der Tatsache das auch dieser Text unfassbar kitschig ist und mit dem Wunsch nach der alten Zeit alles wettern gegen die „früher war alles besser“-Sager ad absurdum gelegt wird. Saltatio Mortis können aber nicht nur jammern und meckern. Nein, auch das Niveau der neueren die toten Hosen Songs wird in „Trinklied“ aufgegriffen. Was zur Hölle ist nur los mit euch?
Völlig unerwartet taucht dann doch noch ein wirklich gutes Lied auf. „Rattenfänger“ nämlich, welches es schafft mich mit seiner Ska-ähnlichen Melodie zu packen. Endlich mal ein Lichtblick in dieser belanglosen Masse. Leider versinken auch die letzten 3 Songs „Todesengel“, „Vermessung des Glücks“ und „Abschiedsmelodie“ wieder in der Irrelevanz und wenn man nicht gerade eine der limitierten Editionen besitzt hat man es hier auch schon geschafft.
Alle anderen bekommen noch 3 weitere Tracks serviert aus denen nur einer positiv heraussticht. Zwischen dem Skiptrack „Gossenpoet“ und der peinlichen Neuvertonung von „Gaudete“ findet sich mein zweites persönliches Highlight des Albums, „Mauern aus Angst“.

Auf instrumentaler Ebene gibt es auf „Zirkus Zeitgeist“ kaum etwas zu meckern. Die Jungs wissen wie sie mit ihren Instrumenten umzugehen haben, sie können wundervolle Töne daraus hervorlocken. Das alles nützt aber nichts wenn mir die Lyrics solche Schmerzen bereiten.
Ich bin froh, dass es auf der Bonus CD 15 Coverversionen älterer Saltatio Mortis Songs von befreundeten Bands (Ost+Front, Subway to Sally, Fiddler's Green, BerlinskiBeat uvm.) interpretiert gibt und mir diese CD wenigstens etwas Freude bereitet. Die Bonus CD ändert allerdings nichts an der 2 von 6 Punkten Bewertung für das Album. Alle meine schlimmsten Befürchtungen im Vorfeld haben sich hier bestätigt, aber solang der Großteil der Fans den „Backstreet Boys der Mittelalterszene“ (an dieser Stelle ein Dank an den mir unbekannten Urheber dieses Zitats) unterwürfig folgt wird es wohl so bald keine Besserung geben.

Anspieltipps: Rattenfänger, Mauern aus Angst



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